Knabenbüste
Der Heimat- und Geschichtsverein Großkrotzenburg präsentierte im November 2003 erstmalig die 12 Nachbildungen der 13 cm hohen römischen Knabenbüste. Die kleine Figur aus Terrakotta (ital. gebrannte Erde) ist über 2000 Jahre alt und wurde Ende der 60er Jahre in einem römischen Kindergrab in Großkrotzenburg, Ecke Römerstraße/Unterhaagstraße, gefunden. Kopf und Schulter waren unbeschädigt, der Rest der Figur war zerbrochen und wurde ergänzt. Dabei wurde die Oberfläche übermalt und erinnert jetzt eher an Email oder Metall als an die übliche Farbgebung des Tons dieser Zeit.
Im Kopf befindet sich ein Kügelchen aus Ton, wodurch sich eine Zuordnung in die Gruppe der Spielzeug-Terrakotten ergibt. Die Anwendung einer Rassel geht auf verschiedene Rituale im Alten Rom zurück.
So wurden hohle Figuren in Gestalt von Menschen oder Tieren bei kultisch-magischen Handlungen angewendet. In der Hand eines Erwachsenen könnte sie dazu gedient haben, die Hausgeister zu beruhigen, die durch das Geschrei eines Säuglings gestört sein konnten.
Als Grabbeigabe wie in diesem Fall liegt die Bedeutung im religiösen-sozialen Bereich, entsprechend der vorchristlichen Sitte, dem Toten verschiedene Gegenstände mit auf die Reise zu geben. Die Art der Ausgestaltung und die Funde ähnlicher Figuren lassen den Schluss zu, dass es sich hier um eine Art Massenartikel handelt, der in vielen römischen Haushalten anzutreffen war. Die fehlende Ausformung von Kopfhaar könnte bedeuten, dass es sich um die Darstellung eines Neugeborenen handelt. Terrakotten dienten im römischen Alltag auch als Laren oder Penaten (römische Schutzgeister im Haus) und Votive (Opfergaben an die Götter).
Um die kleinen Figuren herstellen zu können, hat die Künstlerin zunächst ein originalgroßes Duplikat aus Ton geformt. Dadurch konnte vermieden werden, einen Abdruck vom Original zu nehmen. Von dem Duplikat hat sie von der Vorder- und Rückseite eine Negativform aus Gips hergestellt. Ähnlich wie zur Römerzeit hat Frau Nirava Silvia Becker den weichen Ton in die beiden Formen gedrückt, anschließend zusammengefügt und bei 800 Grad Celsius gebrannt. Danach wurden die Nachbildungen durch eine Farbmehlmischung aus Ton eingefärbt. Durch einen zweiten Brand bei 900 Grad Celsius wurde so die "Terrakottafarbigkeit" der ursprünglichen Farbe nachempfunden.
- Mirjam Andres, Die Antiken Sammlung, ISBN 3-934257-05-4
- Elisabeth Rüger, Die römischen Terrakotten von Nidda-Heddernheim, Verlag Waldemar Kramer
- Dr. Klein, Mitarbeiter des Mainzer Landesmuseum (Gespräch mit Frau Becker am 29.10.2003)