Kastellanlage

Das römische Kastell (lateinisch castellum) hatte seit etwa der claudischen Zeit stets die gleiche Form. Es war rechteckig, hatte vier Tore und meistens vier Ecktürme. Das Kastell in Großkrotzenburg dürfte etwa 105 - 110 n. Chr. entstanden sein und war ca. 175 m lang und ca. 123 m breit (ca. 2,1 ha).

Skizze der Kastellanlage über dem heutigen Straßenverlauf
Skizze der Kastellanlage über dem heutigen Straßenverlauf
Die Tore hatten folgende Bezeichnungen:
  • Porta Praetoria (Ausfalltor)
  • Porta Decumana (Rückwärtiges Tor)
  • Porta Principalis Dextra
  • Porta Principalis Sinistra
Die beiden letzt genannten Tore befanden sich an der langen Seite des Rechteckes.

Die Kirchstraße läuft noch heute über der Via Principalis, welche die beiden Seitentore miteinander verband. Auch die Via Praetoria (heute Sackgasse) und die Via Decumana (heute Breite Straße), die von dem vorderen und dem rückwärtigen Tor ausgingen, zeigen ihren Zusammenhang mit dem ehemaligen Kastellbau.

Das römische Stabsgebäude (Principia) befand sich im Zentrum des Kastells im Kreuzungsbereich der beiden Hauptstraßen. Dies war die Aufbewahrungsstätte des Fahnenheiligtums, der Truppenkasse und der Kommandantur.

Diorama des Kastells im Museum Großkrotzenburg
Diorama des Kastells im Museum Großkrotzenburg

Die Besatzung bestand aus einer Kohorte (lateinisch cohors), einer militärischen Einheit der römischen Legion. Für das Kastell in Großkrotzenburg ist bisher nur die etwa 500 Mann starke keltische Hilfstruppe COHORS IIII VINDELICORUM bekannt, die der 22. Legion in Mainz unterstellt war.

Unweit der Südmauer war die Mannschaftslatrine untergebracht, die vergleichsweise aufwendig ausgestattet war. Der Abwasserkanal konnte noch rund 50 Meter weit zum Main verfolgt werden.

Auxiliarsoldat (Römische Hilfstruppe)
Auxiliarsoldat
(Römische Hilfstruppe)

Nach Westen erstreckte sich das Lagerdorf. Das Bad wurde westlich des rückwärtigen Tores entdeckt. Nordwestlich des Kastells fand man am Rand des Lagerdorfes in der Nachbarschaft eines Gräberfeldes ein Heiligtum für den Gott Mithras.

Unweit der römischen Brücke über den Main befand sich eine Station der Benefiziarier, hier waren Sonderbeauftragte stationiert, denen eine besondere Überwachungsfunktion zukam. Sensationell sind die Pfahlgründungen der römischen Steinpfeilerbrücke im Main, die in den 30er Jahren des 2. Jahrhunderts errichtet wurde.

Besondere Bedeutung hatte das Lagerdorf als Standort einer Heeresziegelei, die von der Kastellbesatzung betrieben wurde. Ziegel, die hier hergestellt wurden, fanden sich am Limes sogar in Niederbieber und Walldürn.

Eckturm

Original des unteren Teils des südwestlichen Eckturms der römischen Kastellanlage. Erbaut um ca. 100 n. Chr.
Original des unteren Teils des südwestlichen Eckturms der römischen Kastellanlage.
Erbaut um ca. 100 n. Chr.
Der Eckturmrest ist das älteste oberirdische römische Bauwerke diesseits des Rheins.
Der Eckturmrest ist das älteste oberirdische römische Bauwerke diesseits des Rheins.

Der untere Teil des südwestlichen Eckturms und ein Stück der steineren Umfassungsmauer des Kohortenkastells sind heute noch in der Freianlage am Museum zu sehen, vor allem südwestlich der Kirche. Hier gibt es einige Stellen, an denen das aufgehende Mauerwerk der römischen Wehrmauer noch hoch über dem Boden erhalten ist. Man darf es allerdings nicht mit den mittelalterlichen Aufmauerungen verwechseln.

Beim Eingang der Kirche haben sich noch Teile der Südmauer erhalten. Ganze 20 Meter vor der Mauerfront zog der Limes östlich des Kastells vorbei. Die römischen Fundstücke aus dem Kastell und der Zivilsiedlung werden im Museum gezeigt.

Die Ruine des Eckturms, der ein römisches Fundament besitzt, wurde im Mittelalter ausgebaut und diente bis zur Neuzeit als Gefängnis. Der Turm ist der einzige noch aufrecht stehende Baurest aus römischer Zeit diesseits des Rheins.

Fischgrätartig gegeneinander gemauerte Steinlagen an der Außenseite sind der römischen Außenwand des Turmes zuzurechnen.

Ein Ausbau der Ecken mit Türmen scheint in Großkrotzenburg die Regel gewesen zu sein. Ein Fundamentrest in der Nordostecke und ein auf die Südostecke zulaufendes Kanalstück können als Hinweise auf weitere Türme gewertet werden.